Fermentista Andrea sagt: "Fermentation ist Leben"
Dieses Interview mit Fermentista Andrea ist Teil einer Interviewreihe mit Frauen, die sich mit der Natur auch so verbunden fühlen wie ich. Ich spreche hier mit unterschiedlichen Frauen und ihren Zugang zur Natur und dem Leben.
Ich bin Expertin für die Fermentation aus Leidenschaft und überzeugt von der gesundheitlichen Wirkung uralter Traditionen.
Bitte stell dich uns vor und erzähl etwas über dich und deinen Werdegang? Woher kommst du? Welchen Job hast du gelernt? Hast du Ernährungslehre bzw. kochen gelernt?
Erstmals vielen Dank für die Möglichkeit, dass ich mich bei dir vorstellen darf. Mein Name ist Andrea Bierwolf, ich komme aus Wartberg ob der Aist im Mühlviertel, lebe dort auf einem Bauernhof und bin selbstständige Fermentista. Das war ich nicht immer. Ursprünglich habe ich Wirtschaftswissenschaften studiert und danach bis 2018 in meiner Heimatgemeinde die Bauabteilung geleitet.
Ich hatte eigentlich nie einen konkreten Berufswunsch. Und da ich schon mit jungen 18 Jahren meinen Sohn bekommen habe und kurz darauf alleinerziehend war, haben sich meine Lebensentscheidungen sehr stark danach gerichtet, was das beste für mich und meinen Sohn ist. Ich hatte aber immer schon eine Leidenschaft für Essen, das gut schmeckt und gesund ist. Als mein Sohn größer wurde und ich mehr Raum für mich selber bekommen habe, war für mich klar, dass ich mich in Richtung Ernährung weiterbilden möchte. Ich wollte genauer wissen, welches Essen gesund ist und gut schmeckt. So hat mein beruflicher Weg in Richtung Ernährung begonnen, der aus reine Neugierde entstanden ist. Sehr bald erkannte ich, dass Essen stark mit unserem Denken, Einstellungen, Gewohnheiten, Glaubenssätzen, usw. verbunden ist und habe darum zusätzlich die Ausbildung zur Mentaltrainerin gemacht.
Du beschäftigst dich ja hauptsächlich mit Fermentation aus gesunden und natürlichen Zutaten. Wie bist du dazu gekommen? Wie bist du auf das Fermentieren gekommen und was genau fasziniert dich daran?
Während meiner Ausbildung zur Ernährungstrainerin im Jahr 2016 bin ich auf das Thema aufmerksam geworden. Ich las einen Bericht über Wasserkefir und welche Vorteile dieser für die Gesundheit hat. Das wollte ich unbedingt ausprobieren. Es klang so einfach und niemand den ich dazu fragte, wusste etwas darüber. Dadurch wurde meine Neugier größer und ich begann weiter zu recherchieren und zu experimentieren. Mit Erfolg. Viele kleine Alltagsbeschwerden haben sich bei mir in Luft aufgelöst. So forschte und experimentierte ich weiter und ich bekam das Bedürfnis, mein Wissen und meine Erfahrungen in Workshops weiterzugeben, damit ich ganz viele Menschen damit vertraut machen kann und sie dafür motivieren kann.
Was ist die Besonderheit an fermentierten Lebensmitteln?
Die Geschenke der Fermentation sind vielfältig. Sie zeigen sich in einem gesunden Genuss mit lange haltbaren, gut verträglichen Lebensmitteln voller Geschmacksexplosionen ohne Zusatzstoffe, die gut für unseren Darm sind und positiv auf unseren gesamten Körper wirken.
Wie schaut ein „normaler“ Tag bei dir aus?
Jeder Tag gibt mir die Möglichkeit, das Beste aus meinem Leben zu machen. Gerade in den letzten Jahren, seit dem ich meine Selbstständigkeit ausleben darf, bemühe ich mich darum, meinem Gefühl zu folgen, was gerade meine Zeit und Aufmerksamkeit benötigt. Daher ist jeder Tag anders. Ich habe natürlich Termine und auch die Fermentation verlangt eine gewisse Routine in meinem Leben, die mir gut tut. Sie ist aber lebendig und möchte nicht mit einer schlechten Energie einfach erledigt werden. Alles hat seine Zeit und wir Menschen haben ein Gefühl dafür, wenn wir es zulassen und nicht stur unseren Plänen folgen. Ich habe gelernt, dass auch Termine verschoben werden können, wenn die Zeit noch nicht reif ist dafür. Dabei hilft mir meine innere Stimme. Ich bin sehr dankbar dafür, dass ich jeden Tag auf diese Weise begegnen darf.
Und je nachdem was gerade ansteht, findet man mich in meinem Büro, in der Küche, auf einem Markt oder einer Messe, in einem Workshop, bei meiner Familie, bei meinen Freunden, auf einem Beachvolleyballplatz, auf der Couch, auf einer Liefertour oder auf Reisen. Wenn man mich fragt „Und, was machst du morgen?“, bekommt man von mir oft nur als Antwort: „Mal schauen, was ansteht.“.
Bist du gerne in der Natur?
Ich habe das Glück mitten in der Natur auf einem Bauernhof am Land leben zu dürfen und genieße es sehr. Egal wo ich mich zuhause aufhalte, bin ich mitten in der Natur. Ich kann einfach aus dem Fenster sehen oder nach draussen gehen, wenn mir danach ist. Das ist einfach toll.
Hast du auch einen besonderen Lieblingsplatz oder Kraftplatz - wo bist du am allerliebsten?
Ich liebe das Meer. Es erweckt ein besonderes Freiheitsgefühl in mir und gibt mir Kraft.
Hast du ein Rezept für uns, das wir auch als „ungeübte“ leicht nachmachen können und das unsere natürliche Gesundheit unterstützt?
Sehr gerne. Hier mein Rezept für eine fermentierte Knoblauchpaste.
Ich liebe Knoblauch. Den bleibenden Nachgeschmack im Mund, der mich über die Nacht bis zum nächsten Tag begleitet, hat mich bisher jedoch davon abgehalten, Knoblauch zu essen. Durch die Fermentation ist das nicht mehr der Fall. Ich kann Knoblauch essen wann und wieviel ich möchte, ohne danach lange zu riechen oder den Geschmack im Mund zu behalten. Dabei schmeckt fermentierter Knoblauch viel besser und ist jederzeit bereit im Kühlschrank für den Einsatz in der Küche. Ich muss nicht extra Knoblauch schälen, wenn ich ein bisschen Knoblauchgeschmack in einem Gericht haben möchte und kann vermeiden, übrigbleibenden Knoblauchzehen wegschmeißen zu müssen. Dafür nehme ich mir einmal die Zeit um den Knoblauch zu fermentieren und kann für eine lange Zeit mein Essen damit würzen. In meiner Küche ist die fermentierte Knoblauchpaste ein fixer Bestandteil und darf nicht ausgehen.
Zutaten:
1 kg geschälter Knoblauch
50 g Salz
100 ml Wasser
3 g Salz
Material:
1,5 l Glas (Weck, Rex oder mit Bügelverschluss)
1 Abdichtungsgummiring passend für das Glas
Blätter zum Abdecken von Wein-, Himbeer- oder Brombeersträuchern
Steine zum Beschweren (abgekocht und ausgekühlt)
1. Mixe den Knoblauch.
Gib den geschälten Knoblauch und das Salz in einen Mixer und bereite eine Paste daraus zu.
2. Fülle die Knoblauchpaste in das Glas.
Wenn du die Knoblauchpaste in das Glas füllst, achte darauf, dass wenig Luftlöcher bleiben. Bedecke es mit sauberen Blättern von Wein-, Himbeer- oder Brombeersträuchern und beschwere es mit den ausgekochten und abgekühlten Granitsteinen. Bereite etwas Lake aus 100 ml Wasser und 3 g Salz zu und gieße diese darüber, sodass der Knoblauch gut bedeckt. Verschließe das Glas luftdicht.
3. Der Fermentationsprozess kann beginnen.
Stelle das Glas auf ein Backblech oder einen Teller und lasse es bei Zimmertemperatur ohne direkte Sonneneinstrahlung 14 bis 21 Tage fermentieren. In dieser Zeit kann sich der Knoblauch auch blau und grün färben. Das ist normal. Grund dafür sind schwefelhaltige Stoffe im Knoblauch, die sich bei der Fermentation zersetzen und mit bestimmten Aminosäuren reagieren. Das schadet nicht und schmeckt normal. Im Laufe des Fermentationsprozesses verfärbt sich die Paste wieder und sieht zum Schluss meist beige bis hellbraun aus.
4. Die Knoblauchpaste ist fertig.
Sobald die Paste den gewünschten Geschmack erreicht hat, stellst du sie kühler (Keller oder Kühlschrank). Grundsätzlich kannst du von einer Haltbarkeit von einem Jahr ausgehen. Dein Geschmack entscheidet.
Die Natur, Kräuter aber auch Nachhaltigkeit und Bio sind ja mittlerweile sehr im „Trend“ - warum ist das deiner Meinung nach so? Warum gibt es auch die Sehnsucht in uns wieder mehr mit der Natur verbunden zu sein und auch einfach zu leben?
Es gibt einen Grund warum alte Traditionen von Generation zu Generation weitergegeben wurden. Viele davon waren für uns Menschen lebensnotwendig bis zur Industrialisierung. Strom und Mobilität hat viele alte Traditionen verdrängt, weil sie plötzlich nicht mehr lebensnotwendig waren und man die Zeit und Energie für andere Dinge (Umgang mit Computer, elektronische Geräte, Autos, …) verwenden musste, um mit dem schnellen Fortschritt mithalten zu können. Ich denke aber, dass vielen Menschen immer mehr bewusst wird, dass wir Menschen auf diesem Weg uns immer weiter von natürlichen Kreisläufen und System entfernen und sie sogar zerstören. Das Bewusstsein dafür, dass wir Menschen nicht ohne unsere Umwelt leben können wird größer und damit auch das Bedürfnis, dass man einen Teil dazu beitragen und wieder zurück finden möchte, auf eine einfache Lebensweise, die im Einklang mit der Natur ist.
Im August 2021 ist mein Buch „Fermentista. Du brauchst nur Zeit und Liebe.“ beim Freya Verlag erschienen. Es vereint theoretisches Wissen über die Fermentation mit einfachen Anleitungen, praktischen Erfahrungen und hilfreichen Tipps für den Fermentier-Erfolg zuhause. Man kann es als Sammelwerk und Nachschlagewerk für diese sechs Fermente verwenden: Fermentiertes Gemüse, Kombucha, Essig, Kefir, Joghurt und Brot. Die wichtigsten Zutaten sind Zeit und Liebe.
Mein Ziel in den Workshops und in meinem Buch ist es, meine TeilnehmerInnen für die Fermentation zu begeistern - mit Infos, Grundanleitungen, Erfahrungen, Tipps und Kostproben. Mir ist auch der Erfahrungsaustausch in einer Gruppe immer ganz wichtig. Vielen habe schon einmal fermentiert und wissen gar nicht, dass sie auch bereits ein/eine Fermentista sind. Ich möchte auch die Kreativität jedes einzelnen anregen. Daher ist es mir wichtig, dass jeder das Prinzip der Fermentation versteht.
Auf meiner Homepage www.fermentista.at findet man mehr Infos zu mir. Und ich arbeite auch mit zwei Kolleginnen zusammen und wir bieten gemeinsam Workshops und Retreats zu den Themen Achtsamkeit, Ernährung und Fermentation an. Unsere Homepage lautet www.mehralsnuressen.at.
Ein Tipp von mir zum Abschluss: Fange mit dem Ferment an, das dich am meisten anspricht. Mache dich erst damit vertraut, bevor du mit dem nächsten Ferment beginnst. Sonst überforderst du dich und dann macht das Fermentieren keinen Spaß mehr. Es ist aber ganz wichtig, dass du die Freude daran nicht verlierst. Egal was du zuerst ausprobierst. Gib nicht gleich auf und tausche deine Erfahrungen mit anderen aus, dann wirst du immer sicherer im Umgang mit deinen Fermenten und die Freude daran kann wachsen.
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